Presse

Brachiale Spurensuche in Holz und Metall

Backnang. „Jeder Engel ist schrecklich.“ Diese Zeile aus Rainer Maria Rilkes zweiter Duineser Elegie zitiert Ernst Hövelborn, Vorsitzender des Heimat- und Kunstvereins, in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung des international bekannten Künstlers Volker Nikel. In der halle des Helferhauses in Backnang ragt hinter dem Redner dieses himmlische Geschöpf in seiner ganzen surrealen schaurig- schönen Faszination auf- der Engel aus Metall ist eine von Volker Nikels kontroversesten Kreationen. Kalt und unmenschlich, mit scharfen, spitzen Kanten, bedrohlich und doch gleichzeitig beschützend und stark. Seine Oberfläche reflektiert das Licht, das schwere material vermittelt paradoxerweise eine ätherische Leichtigkeit der Figur.

Volker Nikel wirkt zu beginn etwas angespannt; nervös begrüßt er das  Publikum, was dem sportlichen, jugendlichen Maler und Bildhauer Sympathiepunkte einbringt. Immerhin kann der 50-jährige Berliner nach einem 5-jährigen Studium an der Hochschule der Künste in seiner Heimatstadt ausser auf seine Lehr- und Assistententätigkeiten in Berlin, Italien, Zypern, Paris, London und Zürich als Künstler auf eine internationale Karriere zurückblicken, die mittlerweile schon über ein Vierteljahrhundert andauert.

Seine Werke sind expressionistisch. Hövelborn benutzt und erläutert die Metapher von der „brachialen Gestaltauflösung“. Brachial im eigentlichen Wortsinn, als klassischen bildhauerischen Einsatz von Hand und Arm. Und brachial im Sinne einer Anwendung roher Gewalt. Seltsam roh, fast unfertig, wirken Nikels Skulpturen. Seine Holzfiguren lassen zeitgleich organisches Material und den Einsatz von Maschinen wie Kettensägen oder Flex erkennen, ein Stil, der sich unabhängig von der Größe seiner Kunstwerke wie ein roter Faden durch sein Oeuvre zieht. Und immer wieder taucht im Titel das Wort „Monade“ auf, die Monade als Einheit von Körper und Seele. Laut dem Philosophen Leibnitz ist die Verbindung von seelischer Spontanität und materieller Rezeptivität wesentlich, nicht aber die Größe oder Figur ihrer umhüllten Materie. Daher ist die Monade, und somit auch die in ihr inkarnierte Seele unzerstörbar oder unsterblich.  Ein Thema, von dem Volker Nikel besessen scheint, vielleicht am ehesten dokumentiert in seinem Werk „Frau wird zur Monade“.  (…)

Marina Heidrich, 28.10.2009, Backnanger Tagblatt

Korrespondenz auf höherer Stufe- Arte é Vita auf der Freundschaftsinsel

(…)Die Farbe auf den Gemälden im gläsernen Pavillon verband sich mit den leuchtenden Blumen draußen auf den Beeten und Rabatten der paradiesischen Freundschaftsinsel. Die modernen Skulpturen schienen in der Nachmittagsglut mit ihrem satt-grünen Umfeld eins zu werden. (…)

Der Berliner Volker Nikel sucht die Verschmelzung mit der Natur auf andere Art. „Um zeitgenössische Kunst zu machen, muss man wie ein Pendel schwingen. Mal Tausende Jahre in die Vergangenheit, in das Verborgene zurückgehen, um sich danach in die Zukunft hinein begeben zu können.“

Um seinen Totemkopf „In Ruhe“ aus einem Eichenblock hauen zu können, der vor dem Pavillon steht, hat Nikel alles vergessen müssen, was er an der Kunsthochschule gelernt hat. (…) „Augen, so groß wie Brüste, eine Nase, die an einen Phallus erinnert und eine Mundhöhle, in die man hineingreifen möchte“, so sagt er, „erwecken frühkindliche Sehnsüchte.“ (…)

Matthias Hassenpflug, Märkische Allgemeine, 29.04.2005

Auf dünnem Eis

Er ist drei Meter hoch, drei Meter lang und drei Meter breit, der „Arte- Cube“ der Künstler HP Trauschke und Volker Nikel. In seiner Mitte ist ein Sinnbild des Christentums eingehängt. (…) Der Würfel aus Aluminium und Stahl wird an der Uferpromenade in Werder (…) auf Eis gestellt. Mit dem Schmelzen des gefrorenen Nasses wird der Cube versinken- mit ihm sinnbildlich die Wirkungskraft der Religion. Und der Kunstwürfel in Werder ist erst der Anfang. Bis Mai werden vier weitere der Würfel, jeder mit einem Symbol der übrigen vier Weltreligionen verziert, in der Havel versenkt. Die Idee dahinter: Die Religionen stehen auf dünnem Eis: der Selbstüberschätzung, des absoluten Wahrheitsanspruchs und des politischen Missbrauchs, philosophieren die Künstler. Sie laufen Gefahr, sich gegenseitig in die Tiefe zu reißen. Und doch gibt es einen Hoffnungsschimmer. Ende Mai sollen die fünf Symbole wieder an die Oberfläche geholt werden. Doch nicht nur die „Würfel unter Wasser“ stehen auf dem Programm der mit „Insel-der-Utopien“ überschriebenen Kunstaktionen, die bei einem internationalen Künstlersymposium entwickelt wurden. Über 30 Künstler werden im Frühsommer u.a. auf der Freundschaftsinsel, im Park Schloss Caputh und auf der Insel Töplitz aktiv- mit dem Ziel, Kulturarbeit und Projekte über Ländergrenzen hinaus anzuregen. Mit im Veranstaltungsboot sitzen der Verein „Neue Medien e.V.- Berlin/ Potsdam“, der Offene Kulturverein, das Instituto Culturale Italo und das Al Globe.

Potsdamer Neue Nachrichten, Januar 2003 

Rein formale Angelegenheiten Galerie Bauart, Dessau

(…) Volker Nikel zeigt für ihn ungewöhnlich kleine Ölbilder und eine Serie von Skulpturen. Sonst trägt er unerhört viel Farbe auf riesige Leinwände, baut Skulpturen und steht schon mal als Louis Trenker vor der Kamera. Auf Selbstporträts mit klingenden Namen wie „Nikelkopf“ und anderen Bildern werden Formen von Farben angefragt, ohne sich völlig hinter sparsam gesetzten Lichtern zu verbergen. Mit der Farbe der kleinen Dinger  könnte man ganze Wände gestalten. Wenn man nur hinter Farbschichten schauen könnte. Kann man aber nicht. So bleibt Tiefe, was sie ist, eine räumliche Qualität.

Eine große Gruppe kleiner Figuren fußt auf verschiedenen Erhöhungen. Auf einem wackligen Tischlein, buckligen Erhebungen, mächtigen Postamenten oder graziös überdehnten Sockeln posieren allerlei Damen in aufwendigen Gesten von Ballerinen. Nikel ist wieder am Experimentieren. Auf geschnittenem Stahl schmilzt er Bronzekugeln, erzeugt bizarre Oberflächen, ordinär bräunlichen Rost neben edler Patina. Die bekleckerten Ballerinen erscheinen wie Tropfsteingebilde. (…) Das auf den ersten Blick unbekümmert gruppierende, anfragbare Konzept der Ausstellung scheint sich zu rechtfertigen, weil es viel zu sehen und zu streiten gibt und es somit alles, nur nicht langweilig ist. (…)

Mitteldeutsche Zeitung, 7.12.2000

Kürzel, Chiffren und gemalte Mythen

 Nikel (…) lässt Figuren, deren Gestalt durch horizontale Farbstriche angefragt wird, in unbestimmten Wassern baden. Oder verhilft gehetzter Farbe gänzlich zum Sieg über Formen. Daneben finden sich von Farbflächen bestimmte Arbeiten. Zuweilen geht Nikel mit der Kettensäge auf Baumstämme los. Vernichtet gewachsene Formen und Maserungen, raubt dem Stamm sämtliche Rundungen und nennt diesen waschtrogähnlichen Kanonenofen beinahe rührselig „Großmutter“. Mit nachgelassener Aggression formt er durch sanftere Verletzungen unter den Kerben eines Holzbeitels kleine, schwarz gebeizte Dämonen. Die geschwärzten Gestalten finden ihren Platz irgendwo zwischen lustvoller Angst und dunkler Komik.

Nikels lyrisch unterschriebene Bilder „Oh Meer, süßes Bad der Sanftheit“ oder „Mit den Vögeln, die das Buch der Blinden öffnen“ strahlen den Auge ein irritierend leuchtendes und doch irgendwie unrein wirkendes Blau entgegen. Neben feinen Nuancen quetscht er auch schon mal, nahezu unanständig, eine Tube Orange in die säuselnde Bläue. Gegen die Poesie seiner Farben scheint sich Nikel, der Maler, zuweilen mit Kettensäge und Kuben wehren zu wollen.

Thomas Altmann, Mitteldeutsche Zeitung, 4.02.2000     

Museales mit der Kettensäge

 Volker Nikel sägt große Baumstämme (…). Und als er das in Nizza tat, sah ihn der Galerist Rainer Brecht und lud ihn zu einer Performance im Rahmen der Weinheimer Kulturtage ein. Am Samstag nachmittag kreischte dann zu Trommelmusik aus dem Lautsprecher die Kettensäge. Damit (…) Anwohner wussten, worum es sich handelt, hatte der Künstler bereits am Tag zuvor die Baumstämme bearbeitet und einen davon zu einem grob geschnittenen- in diesem Falle gesägten- Gigantengesicht umgeformt.

So etwas sieht man ansonsten in Museen für Völkerkunde. Aus diesem Grunde wohl kam Rainer Brecht in Nizza auch spontan der Gedanke, dass Nikels Werke „museale Qualität“ hätten. (…)

Doch der Künstler arbeitet nicht nur mit Holz: Für den Flughafen Schönefeld durfte er eine große Stahlplastik bauen, er konstruierte auch Mobiles mit Motoren und bezeichnet seine handwerklichen Ergebnisse als konzeptionelle Kunst, aus der heraus er archetypische Skulpturen entwickelte. Gelernt hat er an der Hochschule für Künste in Berlin, wo er 1986 die Meisterschülerprüfung machte und im zweiten Semester schon den ersten Preis für Malerei bekam. 1995 wurde ihm in Imperia (Ligurien) der 1.Preis für Holzskulpturen verliehen.

Weinheimer Nachrichten, 21.07.1997

Landeflächen für die Seele- Chiffren- Bilder von Volker Nikel in der Galerie von Meta Weber

 „Natürlich können heute keine Themen mehr behandelt werden“, kommentiert (…) Volker Nikel die aktuelle Situation künstlerischen Schaffens. „Es können nur Landeflächen für Seele und Geist erstellt werden“.

Derart eingestimmt, rasen die Eindrücke des Betrachters (…) kunterbunt durcheinander. Die meist großformatige Acryl- und Ölmalerei blendet zunächst durch Farbigkeit. Der meist pastose Auftrag lässt auf spontanes Versenken in den Malvorgang schließen.

Doch hinter dem Gewühl der Farben, mal grell, mal gedeckt, entdeckt man Chiffren, unter denen einige als Versatzstücke des Gegenständlichen Kontur gewinnen.

Auf dem Weg zur mentalen Landung verstellen diese „Kuben“ und „Lebenskraftzeichen“, die mehreren Werken den Titel geben, einer schlüssigen Deutung den Weg. Nun könnte der seelische Anflug folgen. Und tatsächlich, in der Arbeit „Roter Mann fliegt ins Bad“ stürzt jemand, und zwar- man glaubt es kaum- in eine ländliche Impression. Kopfüber hinein in diese enigmatische Bildwelt kann denn auch das Motto der Rezeption lauten- „Mit aufgerissenem Blick“ forschen und empfinden.

Im übrigen Werk Nikels, Meisterschüler von Klaus Fußmann an der Berliner Hochschule der Künste, ist die menschliche Figur bis auf schwarze Schemen (…) weitgehend der Abstraktion zum opfer gefallen. Da nimmt es nicht wunder, dass in einzelnen Bildern eine Tendenz zum Monochromen angelegt ist (…).

Westdeutsche Zeitung, Dezember 1993

Kraftakte der Farben

Als „Landeflächen für Seele und Geist“ will (…) Volker Nikel seine Bilder (…) verstanden wissen. Seine großformatigen Ölarbeiten sind Kraftakte der farben, die aus dem Gegenständlichen herausdrängen und die stellenweise noch signifikanten Formen eher als Zufallsprodukte eines eigendynamischen Schaffensprozesses denn als seinen Ausgangspunkt betrachten.

Die kryptischen Titel wie „Glut nicht, Kraft nicht, Illusion“ oder „Luftansicht einer Lichtlandefläche über einer Pyramide“ unterstrichen Nikels Anliegen, auch die malerei nicht als themenorientiertes Arbeiten, sondern vom Konzeptuellen her zu verstehen. Der rote Mann, der ins Bad fliegt, Pyramiden, Kuben und „Lebenskraftzeichen“ weisen nicht symbolhaft über sich selbst hinaus, sondern versuchen, optische Wahrnehmung als Energieträger zu nutzen. (…).

Rheinische Post, Dezember 1993

Kirchenhaus auf Zypern ausgemalt

In Zukunft gibt es für Zypernreisende eine zusätzliche Attraktion: eine Besichtigung des kirchlichen Gemeindehauses der St. Andreaskirche in Polis, in April von Tempelhofer Künstlern ausgemalt. Zu der ungewöhnlichen Aktion kam es durch ein spontanes Arrangement zwischen der bis dahin eher an Ikonen orientierten orthodoxen Geistlichkeit und einem Malkursus der Volkshochschule Tempelhof, der sich während der Osterferien in Polis, im griechischen Teil der Insel gelegen, aufhielt.

Der aufgeschlossene Auftraggeber des Unternehmens war Father Agathangelos, der griechisch- orthodoxe Pfarrer der Stadtgemeinde Polis. Die einzigen Vorgaben des progressiven Kirchenmannes waren einige biblische Symbole.(…)

Der Dozent der Gruppe, Volker Nikel, malte auf einer Fläche von zehn mal drei Metern „Lichtempfangende Menschen“, eine expressive, fast wilde monumentale Wandmalerei. „Die kurze, aber äußerst harte Regentschaft des Templer- Ordens auf Zypern (…) führte O-stern 1192 zu einem Aufstand in der Bevölkerung. Von einer solchen Reaktion auf die Nachfahren der Gründer Tempelhofs waren die Zyprioten diesmal weit entfernt“, erklärte der leiter der gruppe, Bernd O. Hölters.

Bernd O. Hölters, Morgenpost Mai 1985